Über das Ankommen, das Einleben, den Pflegealltag und die Integration der jordanischen sowie ausländischen Pflegekräfte in Bremen berichten wir in einem aktuellen Artikel. Einen Download mit Fotos finden Sie am Ende des Artikels.
Mo'ath Alnajjar packt seine Unterlagen zusammen, der Unterricht ist für heute beendet. Der 33-jährige Jordanier kam im Oktober 2019 nach Bremen und arbeitet seitdem im Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK). Mo'ath hat einen jordanischen Bachelor-Abschluss in Pflege und viel Erfahrung u.a. auf Intensivstationen in Amman gesammelt. Er ist einer von 40 qualifizierten jordanischen Pflegekräften, die gezielt über eine Agentur akquiriert und nach Bremen geholt wurden bzw. noch geholt werden. Neun von ihnen sind bislang in Bremen ein- getroffen und schon mitten im Geschehen. Um die jordanischen – sowie weitere ausländische – Frauen und Männer erfolgreich zu integrieren und ihnen den Anfang in der Fremde leichter zu machen, haben wir ein umfangreiches Einarbeitungsprogramm zusammengestellt.
Bürokratische Hürden nehmen
Bevor die Pflegekräfte in Bremen arbeiten können, liegt bereits ein Anerkennungs- und Formalitätenmarathon hinter ihnen – und uns. Ines Wißotzki, Assistentin von Oberin Friederike Juchter, setzt sich unermüdlich im Behördendschungel für die schnelle und reibungslose Abwicklung ein. Ein Großteil der jordanischen Pflegekräfte hat im Heimatland das Deutsch B-2-Zertifikat erworben. Anhand der Curricula, Ausbildungspläne und praktischen Erfahrungen prüft die Bremer Behörde in jedem einzelnen Fall, ob die Kenntnisse für die Anerkennung der Berufsbezeichnung ausreichen bzw. was noch fehlt. Die Bremische Schwesternschaft zusammen mit dem RKK hat es geschafft, dass seit November 2019 nun sog. Anpassungslehrgänge absolviert werden können. Wir sind damit die ersten und einzigen Anbieter dieses Lehrganges – in Abgrenzung zur Kenntnisprüfung – im Bundesland Bremen. Ulrike Frers, Pflegepädagogin, Lerncoach und Krankenschwester, ist Ansprechpartnerin für die Teilnehmenden und bietet täglich kurze Unterrichtseinheiten an, in denen die Pflegefachsprache vertieft und dabei Unterschiede im Pflegeverständnis, Pflegehandeln sowie in kulturellen Fragestellungen behandelt werden. Ebenso hat sie ein Auge auf die Anforderungen für die mündliche Prüfung, die nach Vorgaben des behördlichen sog. Defizitbescheides am Ende des Anpassungs-lehrganges abgelegt werden muss. Mo’ath konnte nun trotz Corona-Einschränkungen die Abschlussprüfung am 27.04.2020 erfolgreich ablegen. Neben Mahmoud Alnababteh, der bereits im Februar bestanden hat, sind die beiden Jordanier nun die ersten, die als anerkannte Gesundheits- und Krankenpfleger im RKK weiterarbeiten. Wir gratulieren auf diesem Wege nochmal herzlich.
Einstieg leicht gemacht
Wir helfen und vermitteln bei der Wohnungssuche. Alle An- kommenden können vorübergehend in einer Wohngemeinschaft in der Nähe der Klinik oder in anderen vom RKK angemieteten Wohnungen leben und in Ruhe ankommen.
Ebenso helfen wir z. B. bei Behördengängen, bei Fragen zu Kontoeröffnungen sowie bei den notwendigen Schritten für einen Familiennachzug.
Um sich in Bremen schnell zurechtzufinden, haben wir in einer Willkommensmappe viele praktische und nützliche Informationen zusammengestellt, z. B. Einkaufs- und Restauranttipps, Adressen von wohnortnahen Ärzten, Hinweise bzgl. öffentlicher Verkehrsmittel, günstiger Mitfahrgelegenheiten oder Fahrradverleihstationen.
Unsere neuen Kollegen knüpfen auch gerne außerhalb des Berufes neue Kontakte in Bremen. Das geht am besten im aktiven Miteinander bei Sportveranstaltungen, Café- oder Museumsbesuchen, um nur einige zu nennen. Mit Hilfe motivierter Paten konnten wir eine erste Brücke bauen. Über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe werden unkompliziert Angebote für gemeinsame Aktivitäten online gestellt und Verabredungen getroffen. Leider müssen diese Aktionen aufgrund der Corona-Einschränkungen derzeit ruhen, aber alle Beteiligten freuen sich jetzt schon auf eine baldige Fort- setzung.
Seite an Seite
Diese engmaschige Begleitung und Unterstützung hat sich bewährt. Die jordanischen – und auch anderen ausländischen – Pflegekräfte sind eine Bereicherung für die Teams.
„Auch wenn die Anfänge auf den Stationen schwer und alle bei der Einarbeitung gefordert sind, erweisen sich die neuen Kollegen als motiviert, fachlich versiert, einsatzfreudig und wissbegierig. Besonders beeindruckt uns ihre Herzlichkeit, ihre Höflichkeit und ihr Humor sowie ihre unerschütterliche gute Laune“, so Inga Wöltjen, Abteilungsleitung einer Inneren Station im RKK. Dafür lohnt sich der Aufwand, den es zweifelsohne für beide Seiten bedeutet, Menschen aus an- deren Kulturen in Deutschland und im deutschen Pflegealltag zu integrieren.
Mit unserem sehr individuellen Maßnahmenpaket gelingt es uns, flexibel auf den Bedarf zu reagieren. Die ausländischen Pflegekräfte machen mittlerweile ihrerseits Werbung bei Freunden und Bekannten und motivieren sie, sich in der Bremischen Schwesternschaft bzw. im RKK zu bewerben. Wir freuen uns sehr, dass erste Bewerbungen bereits vorliegen.
Zum Hintergrund: Anregung und Inspiration für die Umsetzung unserer Maßnahmen ist das sog. Preceptorship-Modell, das in Großbritannien Anwendung findet. Sabine Torgler und Dr. Sünje Prühlen haben ein entsprechendes Expertenkonzept zur Integrationsarbeit inter- nationaler Pflegekräfte für die deutsche Pflegekultur entwickelt.